Hypnose

Die Wirkung des suggestiven Faktors

Der psychotherapeutische Einsatz von Hypnose hat bei der Entstehung der Psychoanalyse eine bedeutende Rolle gespielt. S. Freud (1856-1939), der ursprünglich eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen wollte, musste diesen Traum aus finanziellen Gründen aufgeben. Das war 1882; er hat im Laufe der folgenden Jahre noch 38 neurophysiologische Arbeiten veröffentlicht und sich mit ihnen 1889 habilitiert. Aber sein Geld hat er als Neuropathologe verdient und 1886 eine Privatpraxis eröffnet.

Verglichen mit der Welt der exakten naturwissenschaftlichen Forschung war die Tätigkeit des Nervenarztes kläglich. Man ging den seelischen Leiden mit Massage, Wasserkuren, Elektrotherapie und Hypnose zu Leibe. Freud durchschaute diesen Hokuspokus. In einem Brief aus dem Jahre 1883 schrieb er: „In solchen Fällen wirkt man nicht mit Therapie, sondern mit seiner Persönlichkeit.“

Immerhin bot die Hypnosetechnik erste Einblicke in das Gefüge jener seelischen Kräfte, die zur Erkrankung führen. Freud hospitierte deshalb 1885 für drei Monate bei dem berühmten Pariser Neurologen Jean-Martin Charcot. Er übersetzte zum Thema Hypnose-Therapie Werke von Charcot und zwei Arbeiten von Hippolyte Bernheim.

Entscheidend für seinen Weg wurde die freundschaftlich-väterliche Beziehung zu Josef Breuer. Zwischen ihnen und der berühmten Patientin Bertha Pappenheim (Fall Anna O.) entwickelte sich eine schöpferische Konstellation, die zur Geburt der Psychoanalyse führte. Breuer und Freud veröffentlichten 1895 die Studien über Hysterie. Diese Falldarstellungen gaben Einblick in die Breuersche Methode der kathartischen Hypnose und in Freuds Assoziationstechnik. Bei Lucy R. und Elisabeth v. R. gelang Freud bereits der Durchbruch zur Person-bezogenen Betrachtung seiner Patientinnen. Wie ein Detektiv spürte er die Krankheitsbedingungen in ihrer Lebensführung auf und half ihnen als „Beichthörer, Aufklärer und Lehrer“.

Die Technik der freien Assoziation hatte sich ihm zwischen 1892 und 1896 in fast naturwüchsiger Weise herausgebildet, so dass er die kathartische Hypnose aufgeben konnte. Denn nur scheinbar liegen die Heilkräfte in der Person des Arztes; in Wirklichkeit beruhen sie auf dem seelischen Zustand des Patienten. Sie bestehen aus Genesungswunsch, infantiler Heilserwartung und Zuneigung zum Arzt, kurz auf Liebe und Autoritätsglauben.

Nur solange der Patient dem Arzt Vertrauen, Autorität und Macht zuweist, ist er willig, auf seine Symptome zu verzichten. Die Hypnose dagegen deckt die Bedingungen der Erkrankung nur zu. Mit der Zeit nutzt sich die Wirkung des Arztes und des Verfahrens ab, und der Patient erkrankt erneut. Freud enträtselte die Wirkung des suggestiven Faktors, indem er die Machtlosigkeit des Arztes enthüllte und seine Aufmerksamkeit auf den Patienten richtete. Er fragte nach jenen seelischen Kräften, die beim Patienten über Gesundheit und Krankheit entscheiden. In der Abhandlung Bruchstücke einer Hysterie-Analyse von 1905 legte Freud seine erste psychoanalytische Falldarstellung vor. Diese Studie enthält Überlegungen zur Übertragung und erste Hinweise zur Gegenübertragung.

Die Behandlung von „Dora“, einem 18jährigen Mädchen, fand im Winter 1900 statt. Die Heilmethode scheiterte, weil Freud noch nicht genug über die Kräfte von Übertragung und Gegenübertragung ...

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